10.07.2024
Bauwende und Qualität bei Büroimmobilien

Umbau statt Neubau: So profitieren Mieter:innen von der Bauwende

 

Diese Zahl lässt aufhorchen: Nur knapp die Hälfte des Münchner Büroleerstandes genügt noch aktuellen Anforderungen der Mieter:innen. Das haben die Immobilienexpert:innen von BNP Paribas Real Estate Ende 2023 berechnet. Allein in München gibt es also für viele Büroflächen langfristig keine Perspektive mehr. Also einfach alles abreißen und neu bauen? Nein, sind sich Dr. Tim Malonn, Geschäftsführer der WÖHR + BAUER Asset Management sowie Revitalisierungs-Experte und Architekt Holger Meyer von holger meyer architektur einig. Beide plädieren für eine stärkere Ausrichtung auf nachhaltige Revitalisierung und Bauen sowie Kreislaufwirtschaft.

Umwelt- und Klimaschutz werden beim Bau von Büros immer wichtiger. Dieser Trend wird sich durch die Vorgaben der EU-Taxonomie, stetig steigende CO₂-Preise und die weitgehenden ESG-(Selbst)-Verpflichtungen großer Konzerne und internationaler Investoren weiter fortsetzen. 

 

Bestand bewahren, Emissionen sparen 

Klima- und Umweltschutz sind heute keine niedlichen PR-Themen mehr, sondern knallhartes Excel-Business. „Die Klimabilanz eines Bürogebäudes kann für Eigentümer:innen und Mieter:innen eine hohe Hypothek bedeuten. Aber eben auch einen großen Vorteil“, betont Dr. Tim Malonn, der Bestandsgebäude vor Leerstand und Abriss bewahrt, indem er sie für WÖHR + BAUER oder für Kooperationspartner:innen an die heutigen Ansprüche aufwertet. „Insbesondere vor dem Hintergrund der Klimaziele bieten Bestandsgebäude ein großes Potenzial. Wer mit dem Bestand arbeitet, kann rund die Hälfte der Treibhausgasemissionen und Energie einsparen, die bei einem Gebäude-Lebenszyklus von 50 Jahren anfallen“, stimmt Architekt Holger Meyer zu. 

Mit dem Architekten und Nachhaltigkeitsexperten Holger Meyer hat Malonn den passenden Partner für das Projekt MERGENTHALER in Eschborn gefunden. In der Immobilien Zeitung wurde die innovative Revitalisierung als „Blaupause für viele ältere Bürostandorte im Umland von Metropolen” gewürdigt. Dr. Malonn weiß aus diversen Fallbeispielen, dass es sich lohnt, eine Immobilie genau anzusehen, bevor man die Abrissbirne schwingt. Zum Beispiel optimiert der kluge Anbau beim MERGENTHALER das A/V-Verhältnis zwischen Oberfläche und Volumen, was die Flächen- und Energieeffizienz des Gebäudes entscheidend verbessert. Weitere Maßnahmen dieses Projekts sieht Malonn als exemplarisch für ein erfolgreiches Refurbishment: „Reduzierung der grauen Energie um 42 % durch Umbau statt Neubau, Verzicht auf fossile Brennstoffe bei der Energieversorgung durch Geothermie, Photovoltaik und Ökostrombezug, ein ganzheitliches Smart-Building- und New-Work-Konzept machen das MERGENTHALER zu einem Paradebeispiel für nachhaltige Entwicklung und zukunftsfähige Arbeitswelten.“

Der Erfolg einer solchen Sanierung ist aber kein Selbstläufer. Die energetische Erneuerung der Fassade und die ganzheitliche Umstellung der gesamten Haustechnik, unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestandes, benötigen eine tiefe Expertise, erklärt Malonn. Wie sehr sich das bei einem Gebäude von WÖHR + BAUER für den Klimaschutz als auch für die künftigen Eigentümer:innen und Mieter:innen lohnen kann, rechnet Malonn am Beispiel des MERGENTHALER vor: „Unter dem Strich liegt der Endenergiebedarf des vollständig revitalisierten MERGENTHALER nun 68 % unter dem Referenzwert für Neubauten.“ Künftige Mieter:innen sparen sich somit erhebliche Energiekosten.

 

Geothermie im Bestand – so funktioniert‘s

Die Umstellung der Energieversorgung auf regenerative Quellen ist ein Thema, um das sich viele Mythen ranken. „Förderbedingungen und technische Möglichkeiten ändern sich nahezu täglich“, berichtet Holger Meyer. In vielen deutschen Metropolen bietet sich der Einsatz von Geothermie an. Dort, wo es geologisch möglich sei, sieht Meyer die Energiequelle als wirksame Methode der emissionsfreien Wärme- und Kälteversorgung. „Lange hat man Geothermie nur für Neubauten mitgedacht. Beim Projekt von WÖHR + BAUER haben wir 45 jeweils 100 Meter lange Erdwärmesonden rund um den Gebäudekörper eingebracht“, erklärt Meyer. „Insgesamt kann die Anlage rund 200 kW Leistung generieren – das entspricht in etwa dem Heizenergiebedarf von 40 modernen Einfamilienhäusern.“ Ergänzt wird das System durch eine Luft-Wasser-Wärmepumpe auf dem Dach (Hybrid-System). Ein Teil der für die Wärmepumpen benötigten elektrischen Energie wird durch eine auf dem Kerndach bzw. Pergolen angeordneten leistungsfähigen, 300 Quadratmeter großen Photovoltaik-Anlage erzeugt. Die restliche, für den Betrieb des Gebäudes benötigte, Energie wird durch Ökostrombezug gedeckt.Dadurch kann auf den Einsatz fossiler Brennstoffe vollständig verzichtet werden. 

 

ESG-Reporting als Gamechanger

Es geht den Unternehmen bei der Suche nach neuen Büroflächen nicht nur um mehr Qualität, sondern auch um mehr Nachhaltigkeit. Was nach Meinung von Dr. Tim Malonn und Holger Meyer viele Bauherren und Vermieter:innen unterschätzen: Insbesondere große Unternehmen haben strenge unternehmensinterne CSR-Vorgaben („Corporate Sustainability Reporting“), die Auswirkungen auf die Anmietung neuer Flächen haben. ESG-Reporting und CO₂-Zertifizierung zwingen dazu, genau hinzusehen. Marktkenner berichten von Firmen, die so strenge Kriterien erfüllen müssen, dass ein Neubau nicht mehr infrage kommt, und die sich gezielt auf die Suche nach ökologisch optimierten Refurbishment-Objekten machen.

 

Branche im Wandel

WÖHR + BAUER setzt seit Jahren auf das nachhaltige Zukunftsfeld der Revitalisierung und hat bereits im Jahr 2018 unter Dr. Tim Malonn einen eigenen Bereich für Value-Add- und Revitalisierungsprojekte implementiert. Unter den Architekt:innen wiederum gilt Holger Meyer als einer der Vorreiter der Bauwende. Aus seiner Sicht ist mehr Nachhaltigkeit beim Bauen nicht nur gut für das Image, sondern vor allem Pflichtprogramm für Architekt:innen und Bauherren, die auch morgen noch erfolgreich sein möchten. „Die Wende in der Baubranche setzt voraus, dass Bauprojekte in Zukunft nach höchsten Standards der Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit geplant und errichtet werden. Der Einsatz von umweltfreundlichen Baumaterialien, Energieeffizienzmaßnahmen und grünen Technologien muss selbstverständlich werden“, meint Holger Meyer.

Viele Immobilienbestandshalter stehen vor der Aufgabe, ihr gesamtes Portfolio auf den Prüfstand zu stellen, berichtet Meyer: „Für Investoren steht jetzt im Vordergrund, die Möglichkeiten von Bestandsimmobilien zu prüfen und gegenüber Revitalisierungsoptionen aufgeschlossen zu bleiben. Es gilt, die Kosten sowie den Ressourcen- und Energieverbrauch bei Abriss und Neubau genauestens gegenüber Entkernung und Umbau abzuwägen. Eine ganzheitliche Sichtweise, die ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Anforderungen zu gleichen Teilen berücksichtigt, wird Planen und Bauen zukunfts- und klimagerecht werden lassen“, sagt Meyer.

Der verstärkte Fokus auf Umbau und Revitalisierung bestehender Gebäude wirkt sich auch auf den Beruf und das Selbstverständnis von Architekt:innen und Ingenieur:innen aus. Beide Berufsgruppen müssen gemeinsam in der Lage sein, nachhaltige Bürogebäude zu entwickeln, die die Umweltauswirkungen minimieren und die Betriebseffizienz maximieren. In der heutigen Zeit liegt der Fokus nicht mehr ausschließlich auf der fachlichen Kompetenz, sondern auch darauf, die Entwicklungen in der Baubranche aufzunehmen und in die Planungsprozesse zu integrieren.

Die Fähigkeit, vorhandene Strukturen zu bewerten und effektive Sanierungsstrategien zu entwickeln, ist laut Meyer die Basis für nachhaltige Planung. „Für uns als Architekten bedeutet ein Sanierungsprojekt vor allem eine intensive Auseinandersetzung mit diversen Faktoren und zwar gemeinsam mit dem Bauherren. Dazu gehören unter anderem die Lage des Objektes, der Zustand des Bestandes, die lokalen Gegebenheiten und gegebenenfalls Auflagen des Denkmalschutzes.“

 

Smart macht Grün

Um eine Immobilie besonders nachhaltig zu gestalten, setzt man bei WÖHR + BAUER auch auf digitale Tools. Im Experten-Talk erläutert Dr. Tim Malonn, wie die digitale Gebäudesteuerung dafür sorgt, dass künftige Mieter und Mieterinnen durch zahlreiche digitale Sensoren im Gebäude nicht nur Zeit und Fläche sparen können, sondern auch Energie und damit Geld bei den Energiekosten.

„Das MERGENTHALER verbraucht immer nur so viel Energie, wie es die aktuelle Nutzung zu dem Zeitpunkt erfordert. Dafür sorgt eine innovative Sensorik, die je Raum Daten wie Belegungsgrad, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Helligkeit und CO₂-Wert erfasst.“ Diese Daten werden im digitalen, intelligenten Building Brain zusammengeführt und analysiert. „Das ermöglicht uns eine vernetzte, dynamische und energetisch optimierte Regelung und Steuerung aller gebäudetechnischen Anlagen“, erklärt Dr. Tim Malonn. Über die eigens kreierte Gebäude-App können die Nutzer:innen Anpassungen der Beleuchtung, des Raumklimas und des Sonnenschutzes nach ihren persönlichen Bedürfnissen vornehmen. Auf Knopfdruck stehen zudem historische und Live-Daten der Mietfläche wie bspw. Energieverbräuche als Grundlage für ein ESG-Reporting im Rahmen der CSR-Vorgaben („Corporate Sustainability Reporting“) zur Verfügung.

 

Thema für ganz oben

Trotz aller Innovationen hinkt der Gebäudesektor noch immer weit hinter den Klimazielen her. Meyer sieht die Politik in der Verantwortung: „Viele Ansätze für klimafreundliche Architektur lassen sich nur mithilfe von Gesetzesänderungen, neuen Gesetzen oder gezielten Förderprogrammen umsetzen“, so Meyer. Er vermisst einen klaren rechtlichen und politischen Rahmen von oben, der nachhaltiges Bauen und die Nutzung erneuerbarer Energien fördert. Dies sei eine Voraussetzung für Veränderungen in der Baubranche.

Mit ganz oben befasst sich auch Dr. Malonn bei seinen Projekten. Wenn WÖHR + BAUER in seinen Projekten versiegelte Flachdächer in weitläufige Dachgärten mit viel Grün verwandelt, ist das ein Pluspunkt, der auch dem New-Work-Konzept vieler Firmen recht gut steht. Auf Solar muss dabei übrigens keinesfalls verzichtet werden. Die Flächenkonkurrenz zwischen grüner Energie und grünem Lebensraum wird gelöst, indem Dächer der Schatten spendenden Pergola für PV genutzt werden – eine Symbiose zwischen Natur und Bürowelt.

 

Bild 1 und Bild 3: Dr. Tim Malonn, Leitung Geschäftsbereich Value-Add bei WÖHR + BAUER
Bild 2: (v.l.n.r.) Prof. Dr. Thomas Beyerle (Catella), Holger Meyer (Geschäftsführer hma Architektur), Dr. Tim Malonn (WÖHR + BAUER)